
Wir müssen reden. Public Eye spricht Klartext.
Der Podcast rund um Konzernverantwortung, globale Gerechtigkeit und die Rolle der Schweiz.
Ob ausbeuterische Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie, dubiose Machenschaften in der Rohstoffbranche oder giftige Geschäfte mit Pestiziden – Nico Meier will von seinen Gäst*innen wissen, was dahintersteckt.
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Moderation: Nico Meier https://www.audon.ch/
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Anwälte & Geldwäscherei: erschütternde Undercover-Recherche von Reflekt | Mit Christian Zeier
Wer Geld aus Korruption in die Schweiz bringen will, findet offene Türen – zumindest bei gewissen Anwälten und Vermögensberatern. Eine Undercover-Recherche von Reflekt mit falscher Identität zeigt, wie bereitwillig über Strategien gesprochen wird, um problematische Gelder zu verstecken. Nico Meier will vom Journalisten Christian Zeier vom Recherche-Team Reflekt wissen, was ihn dabei erschreckt hat, über die Methoden des investigativen Journalismus und seine weiteren Recherchen zu Hate Speech oder der Credit Suisse.
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🔎 Hintergrund & Quellen
Reflekt Recherche: «Türöffner der Korruption. Eine Undercover-Recherche», 08.04.2025
Public Eye Recherche: «Wie sich die Anwaltslobby gegen eine strengere Regulierung wehrt», 01.07.2024
Public Eye Kampagne: «Schweizer Handbuch für Wirtschaftskriminelle», 2021
Reflekt Recherche: «Kein Freund und Helfer», 21.05.2024
Reflekt Recherche: «Credit Crisis», 14.09.2019
Video zu Hate Speech, 23.05.2024
Video der Swiss Press Award: «Credit Crisis», 06.11.2019
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📰 Impressum
Produktion: Public Eye
Moderation: Nico Meier (Audon Productions)
Kamera & Schnitt: Planfilms
Jingle & Sound Design: Julien Matthey
Studio: Owl Studio
Schweizer Finanzberater in Hollywood-Filmen. Jeder Einzelne korrupt und sofort bereit, Millionen von Dollar am Schweizer Fiskus vorbeizuschleusen. Wie sieht's in der Realität aus? Leider hin und wieder erschreckend ähnlich. Mein Name ist Nico Meier. Herzlich willkommen. Sind Schweizer Vermögensverwalter, Treuhänder und Anwälte denn bereit, Hilfe zu leisten, wenn es darum geht, Gelder aus korrupten Machenschaften in die Schweiz zu bringen? So könnte man die Ausgangslage beschreiben zur neuesten Arbeit des investigativen und unabhängigen Rechercheteams Reflect. Gemacht hat die Christian Zeier und mit die möchte ich heute genau über diese Reportage sprechen. Herzlich willkommen. Vielen Dank. Zudem möchte ich natürlich dann auch über deine Arbeit als investigativer Journalist sprechen, aber vielleicht gleich mal zu Beginn zu dieser Recherche. Ihr habt euch als Vermögensberater eines wohlhabenden Klienten aus einem ostafrikanischen Land ausgegeben. Was habt ihr da genau gemacht und zu was für einer Schlussseite gekommen?
Christian Zeier:Ja, als erstes haben wir diesen Vermögensberater kreiert, also wir mussten einen Schauspieler engagieren. Wir haben eine Story kreiert, inklusive Visitenkarte und Unternehmen dieses Vermögensberaters. Dann haben wir 30 Unternehmen kontaktiert in der Schweiz. Das sind Vermögensverwalter, Anwälte usw. Und konnten dann 19 Gespräche führen, also physische Erstgespräche in Hotels oder in Büros. Und aus diesen 19 Gesprächen haben wir dann die Resultate erhalten. Also wir konnten diese teilweise aufnehmen. Wir haben dann das Ganze kontextualisiert und ausgewertet. und eben gesehen, wie die Leute reagieren auf diese Ausgangslage des Korruptionsgeldes. Und das ist ein Stück weit erschreckend, weil 13 dieser 19 Berater tatsächlich angefangen haben, dann Möglichkeiten zu skizzieren. Und
Nico Meier:das war so dargestellt, dass es wirklich
Christian Zeier:relativ offensichtlich ist, dass es da um Korruptionsgelder geht. Genau, das war ganz wichtig in der Recherche, dass wir hingehen und klar machen, von Beginn weg, das ist ein Regierungsbeamter, aus einem Hochrisikoland, das geht um 80 Millionen Dollar, die er in die Schweiz bringen will. Er hat das Geld aus dem Minensektor, aus der Vergabe von Lizenzen. Also da waren zahlreiche Red Flags, das haben Fachpersonen eigentlich, haben uns bestätigt, da muss jeder Berater erkennen, dass es um Korruption geht.
Nico Meier:Und diese Gespräche, die ihr da geführt habt, diese Erstgespräche, die habt ihr teilweise auch undercover aufgenommen und so eines wollen wir uns jetzt
Undercover Video:gleich zu Beginn doch mal anschauen.
Nico Meier:Die Schweizer Anwälte werden vermutlich in den nächsten zwei, drei Jahren stärker reguliert. Dass wir selbst in solchen Fällen, wo wir keine Vermögenswerte annehmen im Sinne eines Directors oder Council Members einer Foundation, dass wir dann dort auch den Geldwäschereimeldungen unterstehen. Das ist aber noch ein Prozess. Das ist jetzt noch nichts. Keine Vorwirkung, nichts. Aber das kann in zwei, drei Jahren kommen, dass wir selbst bei einer einfachen Gesellschaftsgründung, bei einem Klienten kann man das schon als gefährlichen, als risikobehafteten Tatbestand ansehen. Dann müsste ich die ganze KYC machen. Jetzt muss ich das noch nicht. Für diese Abklärung muss ich das noch nicht machen. Ja, also eben, Abklärungen müssen noch nicht gemacht werden. War das so mehrfach eine Antwort, die ihr gekriegt habt, wo man durchaus offen ist, mit diesen Geldern dann zu hantieren?
Christian Zeier:Ja, wir haben das mehrfach so gehört, ohne spezifisch nach dem zu fragen. Man muss sich das vorstellen, da kommt ein potenzieller Klient, der möchte dieses Geld verstecken, der sagt, es geht ja um problematische Gelder. Und in diesem Fall, der Anwalt erzählt ihm dann, dass er eben nicht dem Geldwäschereigesetz unterstellt ist, dass er im Rahmen dieser Beratungstätigkeiten keine Abklärung machen muss, woher genau das Geld kommt, ob es aus illegalen Quellen kommt. Der stellt ihm eigentlich dar, das eben offen ist für diese Art von Kundenbeziehung. Und habt ihr das häufig gehört als Antwort? Wir haben es von drei verschiedenen Beratungen gehört, ungefragt, die einfach auf diese Gesetzeslücke hingewiesen
Nico Meier:haben. Und du hast zuvor gesagt, ihr habt da auch mit Expertinnen und Experten zusammengearbeitet, um diese Red Flags zu positionieren, um das klar zu machen. Wenn es jetzt um die Resultate geht, wie schätzen denn diese Expertinnen und Experten das ein? Ist das stellvertretend in der Branche, was ihr hier herausgefunden
Christian Zeier:habt? Ja und nein. Also einerseits muss man sagen, es gibt diesen Bias, denn wir haben die Auswahl getroffen dieser 30 Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind. Das sind Vermögensverwalter, Anwälte, die zum Beispiel Asset Protection anbieten. Das sind auch Leute, die schon in Leaks wie den Panama, Pandora Papers aufgetaucht sind. Also ich denke, es kann stellvertretend stehen für diesen Bereich. Und dann gibt es natürlich noch die Anwälte, die ganz was anderes machen, also die gar nichts mit diesem Bereich zu tun haben. Und da, um die geht es hier nicht. Es geht wirklich um die beratenden Anwälte, die wirklich Gelder, bereits sind Gelder zu verstecken, die auch Gelder schützen von vermögenden
Nico Meier:Kunden. Und da gab es aber auch welche, die dann gesagt haben, nein, damit möchte ich jetzt
Christian Zeier:nichts zu tun haben bei eurer Recherche. Genau, also zuerst mal die 30, die wir angefragt haben, dann haben dann 11 einfach nicht zugesagt zu dem Termin, haben sich nicht getroffen. 19 konnten wir wirklich sehr kurzfristig treffen, das war schon erstaunlich. Und dann von diesen 19 war ein Anwalt wirklich empört, der ist uns dann aus dem Gespräch davon gelaufen und hat gesagt, das seien doch Gelder, die müsse man zurückgeben und der könne da nichts machen und da werden wir niemanden finden in der Schweiz, der uns da hilft. Und da gab es dann noch fünf weitere, die einfach höflich im Gespräch gesagt haben, dass sie nicht mithelfen konnten. Aber zwei Drittel waren dann tatsächlich bereit, Ideen zu diskutieren und aufzuzeigen, was sie quasi im Repertoire haben für einen solchen Kunden.
Nico Meier:Aber eigentlich müssten Anwälte, Treuhänder, Vermögensverwalter, die müssten ganz klar sagen, nein, da mache ich nicht mit. Oder was wäre das richtige und das gesetzlich richtige Verhalten dieser Person?
Christian Zeier:In diesem Erstgespräch gibt es wie einen Graubereich, sagen wir mal, da machen Sie sich noch nicht strafbar. Also Sie können in diesem Erstgespräch, können Sie diese Ideen artikulieren, Sie können diese Gedankenspiele machen, Sie können diese Tipps geben. Das ist noch nicht strafrechtlich relevant, weil Sie die Massnahmen nicht umsetzen. Also wir werfen jetzt, im Rahmen dieser Recherche werfen wir Ihnen nichts strafrechtlich Relevantes vor, das ist wichtig, aber wir zeigen, dass Sie eben offen sind und wenn wir ein Mandat eingehen würden, wie offen Sie sind für diese Art von Tätigkeiten. Und dann, wenn sie dann wirklich diese Tätigkeiten umsetzen würden, dann wären sie absolut im strafrechtlich relevanten Bereich. Dann ging es Richtung Geldwäscherei. Was man vielleicht noch sagen muss, ist, wie die Fachpersonen, mit denen wir gesprochen haben, die sagen, klar, wenn man mit einer solchen Ausgangslage konfrontiert ist, wenn ein solcher potenzieller Klient ins Gespräch kommt, dann muss man einfach abbrechen. Also wenn man diese Red Flags erkennt, da gibt es eigentlich keine andere richtige Möglichkeit, das abzubrechen. das Gespräch abzubrechen, den Kunden abzulehnen.
Nico Meier:Und jetzt für dich, was sind so die Schlüsse, die du aus dieser Recherche gezogen hast oder auch die Schlüsse, die diese Expertinnen und Experten gezogen haben?
Christian Zeier:Der Hauptschluss ist für uns, dass wir sehen, dass die Berührungsangst gegenüber diesem Thema Korruption sehr, sehr klein ist im Rahmen dieser Branche, dass wir hingehen konnten und die Leute da nicht eben empört reagiert haben, wie einer das gemacht hat, sondern eben sehr offen waren, Möglichkeiten diskutiert haben, Möglichkeiten dargelegt haben. Das ist das eine, wirklich diese mangelnde Berührungsangst zur Korruption. Und dann das zweite, würde ich schon sagen, diese Gesetzeslücke, die man auch sieht, über die wir schon kurz gesprochen haben, dass man mehrmals erwähnt wurde, dass sie eben eigentlich noch nicht dem Geldwäschereigesetz unterstehen im Rahmen dieser Beratungstätigkeiten, dass sie eben noch nicht genau abklären müssen, woher das Geld kommt. Und das ist ja auch das, was aktuell eigentlich der politische Diskurs ist, dass der Bundesrat das verschärfen möchte, dass er die Beratungstätigkeiten, diese sogenannten risikobehafteten Beratungstätigkeiten, auch dem Geldwäschereigesetz unterstellen möchte.
Nico Meier:Also auch ein Stück weit ein Appell dazu, dass das schneller gehen müsste von den Expertinnen und Experten, die das beurteilt haben?
Christian Zeier:Ja, also wir haben die Recherche vor über einem Jahr gestartet. Das ist eine sehr aufwendige Recherche. Dass wir jetzt genau in diesem politischen Prozess drin sind, ist eher ein Zufall. Aber man kann es natürlich so interpretieren, dass wir aufzeigen, es ist wirklich ein Problem, also das Problem besteht und es ist nötig, das sagen auch die Fachpersonen, dass eben diese Beratungstätigkeiten diesem Geldwertschreigesetz unterstellt werden.
Nico Meier:Und wie haben denn diese Finanzverwalter und Anwälte auf eure Recherche reagiert?
Christian Zeier:Ja, wir haben natürlich alle damit konfrontiert, mit den Resultaten der Recherche. Wir haben aber nur vier Rückmeldungen erhalten. Und wenn man die ganz grob zusammenfassen will, dann sagen sie, wir sind keine Geschäftsbeziehung eingegangen mit diesem Gespräch und wir haben eigentlich nur höflich reagiert und deshalb haben wir das Gespräch nicht vorzeitig abgebrochen. Du hast
Nico Meier:gesagt, eine aufwendige Recherche, vor über einem Jahr losgegangen. Ich stelle mir da auch einen gewissen Nervenkitzel vor, wenn man da so undercover mit diesen Leuten abmacht. Wie ist das für eine Recherche, so aufzugleisen?
Christian Zeier:Ja, das ist schon speziell auch für unsere Verhältnisse, dass wir wirklich über ein Jahr daran gearbeitet haben. Wir waren sehr aufgeregt, als es darum ging, können wir diese Gespräche wirklich führen? Also funktioniert das? Wir haben viel Zeit, auch Geld investiert in die Vorbereitung, in die rechtliche Abklärung, in das Engagement dieses Schauspielers. Und dann war ja völlig unklar, klappt das? Also es hätte ja sein können, dass alle empört gewesen wären und dann wäre das halt das Resultat gewesen. Und da war es schon extrem spannend zu sehen, klappt das? Kann diese Person wirklich hingehen? Kann der diese Gespräche führen? Sind die dann offen? Erläutern sie diese Maßnahmen, diese möglichen? Und was wir dann gesehen haben, ja, tatsächlich, die sind so offen. Das war schon so ein bisschen eine Bestätigung, dass sich... gelohnt
Nico Meier:hat. Ich stelle mir auch vor, so die rechtliche Situation, also man ist mit Anwälten, mit Leuten, die das recht gut kennen, da involviert, stellt die ein Stück weit, zumindest auch wenn sie nicht bloßgestellt werden, aber man zeigt auf, wie die Mechanismen sind in der Branche. Musstet ihr das juristisch auch gut abklären, stelle ich mir
Christian Zeier:vor, oder? Ja, sehr. Also wir mussten einerseits juristisch abklären, was ist möglich im Rahmen einer journalistischen Recherche und da ist ganz klar, diese verdeckte Recherche kann nur Ultima Ratio sein. Man muss vorher abklären, gibt es andere Möglichkeiten, an die Rechercheresultate zu kommen? Gibt es andere Möglichkeiten, da zu recherchieren? Und das haben wir getan. Wir haben mit unzähligen Fachpersonen gesprochen, Studien gelesen und so weiter. Und es gibt keine Möglichkeit, wirklich das herauszufinden, ohne hinzugehen und sich eben als quasi Fake-Berater auszugeben. Und das ist ganz klar, das haben wir abgeklärt. Und dann das Zweite ist einfach das sorgfältige Arbeiten. Also uns ist wichtig, dass wir das wirklich sorgfältig machen. Wir haben jetzt auch in diesem Rahmen eben die Namen nicht genannt der Berater. Im Rahmen des Persönlichkeitsschutzes schützen wir sie, weil wir eher auf das System hinweisen wollen. Es geht nicht um die einzelnen Personen in diesem Fall.
Nico Meier:Und wenn dir diese Episode bis hierhin schon gefallen hat, dann abonniere doch den Kanal und teile am besten auch gleich diese Episode. Aber zeigt gerade so eine Recherche wie diese auch so ein bisschen die Schwierigkeiten des investigativen Journalismus, dass man wirklich sehr genau und sehr gut tariert und mit sehr viel Vorbereitung an die ganze Sache herangehen muss?
Christian Zeier:Ja, es zeigt sicher den Aufwand. Es gibt ja unterschiedliche Arten, wenn man einen Hinweis bekommt und den einfach nur in Anführungszeichen prüfen muss, dann ist es eine eher kurze Recherche. Das jetzt ist wirklich so eine Art von Recherche, die wir machen. explorativ angegangen sind, wo wir viel, viel vorbereiten mussten, viel investieren mussten und uns auch eben in diesem rechtlich heiklen Bereich bewegen. Eben, dass man sehr gut aufpassen muss, dass man nicht angegriffen wird auf rechtlicher Ebene. Das ist ja auch okay. Also wir wollen ja auch sehr sorgfältig arbeiten. Aber gerade wenn man weiß, man ist bei 19 Anwälten, einige Gespräche werden gefilmt, Da ist es noch mal wichtiger, dass wir wirklich abgesichert sind, damit wir da nicht irgendwie in rechtliche Probleme
Nico Meier:geraten. Und es ist auch nicht die einzige Recherche, die ihr macht oder auch nicht jede sieht so aus. Ihr habt zum Beispiel eine gemacht mit der Moderatorin und Journalistin Gülşah Adili. Dabei ging es um Strafanzeigen. Auch da schauen wir uns ein ganz kurzes
Video Gülsha:Video an. Ja, das sind Kommentare auf dem Internet. Da weiss ich jetzt nicht, ob wir zuständig sind. Wir haben Passkommentare aus dem Internet, die potenziell strafbar sind, genommen, unseren Hilfsreporter und Hilfsreporterinnen gegeben und gesagt, geht auf die Polizeistationen, geht das zur Anzeige bringen. Wie 34 verschiedene Polizeistationen in der ganzen Deutschschweiz. Also in diesem Dossier mit den angezeigten Posts hat es aller mindestens ein, zwei ganz, ganz klare Fälle, die man als Strafverfolgungsbehörde entgegennehmen soll. Eine
Nico Meier:Recherche zu Hate Speech, vielleicht ganz kurz zusammengefasst, was habt ihr daraus gefunden?
Christian Zeier:Wir haben eben diese Polizeiposten in den verschiedenen Kantonen hingegangen, wir haben diese Hate Speech im Internet angezeigt und wir konnten eben aufzeigen, dass diese mutmasslichen Delikte gar nicht verfolgt werden, dass diese Anzeigen bei zahlreichen Polizisten Polizeiposten gar nicht angenommen werden, dass es da also quasi einen Missstand gibt bei der Sensibilisierung der Polizeistellen. Das
Nico Meier:sind zwei sehr unterschiedliche Themen von den Recherchen, die wir jetzt besprochen haben. Wie wichtig ist, dass ihr den Nerv der Zeit trefft mit eurer Recherche, also dass ihr wirklich da seid, wo es den Leuten auch ein bisschen unter den Nägeln brennt?
Christian Zeier:Schon wichtig, also das wichtigste Kriterium für eine Recherche ist bei uns die Relevanz und dass es relevant ist für die Schweiz. Und wir schauen, Entweder haben wir Themen, die wir eben eher explorativ angehen, dass wir sagen, es gibt da ein großes Thema und es gibt eine Wissenslücke, bei der wir etwas beitragen können. Und dann gibt es auf der anderen Seite die Themen, wo wir wirklich Hinweise bekommen von Leuten, von Whistleblowern und so weiter, wo wir dann da recherchieren, wo wir weniger bewusst an das Thema
Nico Meier:auswählen. Da gab es einen Fall in Mosambik, wo es um Kredite ging. Kannst du da ganz kurz sagen, was da die Geschichte war?
Christian Zeier:Ja, das war unsere ganz erste Geschichte 2019. Da ging es um diesen Finanzskandal, bei dem es um Kredite der Credit Suisse unter anderem ging, die in Mosambik ausgegeben wurden. Und die waren stark umstritten. Die sind heute als illegal auch deklariert. Und wir waren die ersten Journalisten, die wirklich aus der Schweiz hingegangen sind nach Mosambik, um diesen Fall ein bisschen breiter anzuschauen und mit den Leuten zu sprechen, auch aufzuzeigen, Was hat so ein Finanzskandal dann für eine Implikation für die Gesellschaft vor
Nico Meier:Ort? Mit dieser Recherche habt ihr auch den Swiss Press Award 2020 gewonnen. Dazu gab es ein Siegervideo, das ich mir angesehen habe und eine Sequenz darin hat mir wirklich besonders gefallen, respektive ist mir aufgefallen und auch die möchte ich ganz kurz mit dir anschauen.
Swiss Press Award:Reflekt bezeichnet sich als journalistischer Widerstand und kämpft für Qualitätsjournalismus in Zeiten des Abbaus. Ihre erste Großrecherche rund um Credit Crisis zeigt auf, Was mit den illegalen Krediten passieren könnte und weshalb die CS tiefer in den Skandal verwickelt ist als bisher angenommen. Die Leser haben die Wahl zwischen Kurz- und Vollversion. Auch das Hintergrundmaterial stellt Reflekt der Öffentlichkeit zur Verfügung. Open Source Journalismus, von dem auch andere Journalisten profitieren können und so die nächste Enthüllungsgeschichte möglich
Nico Meier:macht. Ja, man sieht, da geht es ein bisschen um die Arbeitsweise von Reflect, von eurem Team. Sind das immer noch so eure Leitsätze? Teilt ihr immer noch euer Material? Ist das immer noch so wichtig für euch, diese Form des Journalismus leben zu können?
Christian Zeier:Ja, also unsere Webseite lebt sehr stark davon. Also wir haben meistens ja kürzere Formate für Social Media. Oft werden unsere Geschichten auch in den anderen Medien aufgenommen. Und unsere Webseite, die steht eigentlich dafür, dass dort die die ganzen Informationen oder möglichst viele Informationen zu finden sind. Also wenn jemand sich wirklich vertieft mit einem Thema auseinandersetzen will, dann kann man auf die Webseite gehen und sich da noch was einlesen, teilweise eben mit Originaldokumenten und so weiter, damit dann auch Journalistinnen, Journalistinnen oder Entscheidungsträger quasi die Geschichte weiterdrehen können und was daraus machen können.
Nico Meier:Aber eben, es ist als Form des Journalismus nicht mehr ein klassisches, großes Medienhaus, das diese Recherchen macht, sondern das seid ihr als vergleichsweise relativ kleines Team. Wie wichtig ist es euch, diese Arbeit so machen zu können, auch mit diesem Leitsätzen
Christian Zeier:dahinter? Ja, Reflex ist so entstanden aus dieser Idee, dass wir wirklich als eine Art Rechercheagentur große Recherchen machen, aber auch mit großer Wirkung. Das heißt, wir wollen wirklich auch zeigen, wir wollen, dass unsere Recherchen aufgenommen werden in den Zeitungen. Wir wollen auch den Leuten die Informationen zur Verfügung stellen, damit was daraus geschehen kann, weil eben, wir haben es gesehen jetzt, teilweise einjährige Recherchen, da wollen wir auch, dass was daraus entsteht und irgendwie die Leute die Informationen auch erhalten, die sie brauchen.
Nico Meier:Heißt das denn auch, eine Recherche ist erst dann wirklich gut, wenn man auch gewissen Leuten ein bisschen auf den Schlips tritt?
Christian Zeier:Ja, kann man schon so sagen. Also wir sagen schon immer, es geht darum, Missstände aufzudecken. Und Missstände aufdecken heißt eigentlich immer oder fast immer bei uns, dass jemand dann vielleicht nicht ganz zufrieden ist mit der Recherche, weil ja diese Person vielleicht diesen Missstand eben unter den Teppich kehren
Speaker 00:möchte.
Nico Meier:Etwas, das man im Journalismus auch immer wieder hört, ist eine gewisse Angst vor sogenannten Slap-Klagen. Also Klagen, die dazu da sind, das journalistische Arbeiten einzuschränken. Also dass man in Justizfälle verwickelt wird und Anwaltskosten hat und so entweder gar nicht publiziert oder am Ende kein Geld mehr hat, um die Arbeit fortzuführen. Ist das eine Problematik, die ihr einerseits erlebt oder zumindest
Christian Zeier:mal seht? Ja, wir merken, dass das Problem grösser wird, vor allem auch im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen im Ausland, mit anderen Rechercherteams, aber auch in der Schweiz. Wir selbst haben bislang keine Erfahrung gemacht in dieser Hinsicht und sind eigentlich froh darüber.
Nico Meier:Das ist viel zu hören, ja. Aber erlaub mir dann vielleicht eine etwas kritische oder fast schon zynische Frage. Warum gibt es euch eigentlich? Also ich meine, es gibt diese großen Medienhäuser, die haben auch Recherchedesks, die machen das ja auch. Wodurch zeichnet sich dann Reflect dann aus?
Christian Zeier:Warum braucht es solche? Ich denke, die aktuelle Recherche ist ein sehr gutes Beispiel, weshalb es uns braucht. Ich glaube, kein Medienhaus, klassisches Medienhaus, würde eine solche Recherche über ein Jahr mit solchem Aufwand undercover wirklich stemmen wollen und umsetzen wollen. Und ich denke auch, dass wir eben durch unsere Recherchen, die wir umgesetzt haben, durch auch die Auszeichnungen, die wir erhalten haben, zeigen, dass es immer noch diese Nische gibt, dass es mehr Investitivjournalismus braucht, Auch wenn natürlich die Kolleginnen und Kollegen immer noch einen guten Job machen, aber es wird überall gespart. Es gibt wenige Recherchen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir das auch
Nico Meier:machen. Wenn bei denen das Geld fehlt, sage ich jetzt mal,
Christian Zeier:woher habt ihr es? Wie finanziert ihr euch? Wir haben ein neues Finanzierungskonzept entwickelt. Das heißt, wir haben einerseits auch die Einnahmen durch Recherchen, die wir verkaufen, klassisch, aber wir haben auch Stiftungen, die uns unterstützen. Und das Wichtigste eigentlich, wir haben Mitglieder, die sagen, diese Art von Journalismus, die Art von Recherche ist wichtig, deshalb werde ich Mitglied von Reflect.
Nico Meier:Also schon mal ein Engagement auch aus der Bevölkerung, aber wenn du jetzt sagst, ihr habt auch Stiftungen, wie bleibt man denn da noch unabhängig? Oder stellt sich diese Frage
Christian Zeier:für euch? Ja, klar, das ist eine wichtige Frage. Wir machen immer ganz klar, wer uns Geld gibt, hat keinen Einfluss auf die redaktionellen Entscheidungen. Das heißt, eine Stiftung, die bereit ist, uns zu unterstützen, kann nicht Einfluss nehmen. Das ist ganz wichtig. Und wir weisen auch ganz transparent aus, von wem wir Geld erhalten. Gibt es dann auch vielleicht den Fall, dass ihr sagt, nein, da nehmen wir jetzt kein Geld an? Ich glaube, das wäre nur der Fall, wenn jemand Einfluss nehmen möchte. auf die Art von Publikation und auf die Themenwahl, die wir treffen.
Nico Meier:Die Journalistinnen und Journalisten, die habt ihr, wie sieht es aus bei den Themenlagen? Ich nehme an, die gehen euch nicht aus. Habt ihr da schon Ideen, was als nächste Recherche folgen könnte?
Christian Zeier:Ja, wir haben immer eine ganze Liste von möglichen Recherchethemen. Wir haben auch mehrere Themen, die wir parallel bearbeiten. Aber wir publizieren normalerweise nicht, solange es nicht spruchreif ist.
Nico Meier:Wir bleiben gespannt, was denn da als nächstes kommt. Christian Zeier, danke, dass du hier warst und uns einen Einblick in das Schaffen von dir und von Reflect gegeben hast. Vielen Dank für die Einladung. Und wenn dich diese Recherche im Detail interessiert, wir haben sie dir verlinkt unter dieser Episode. Dort findest du auch einen Link zu unserem Dossier, sobald es um Themen wie Korruption oder Geldwäscherei geht. In diesem Sinne, danke herzlichst. Wir müssen reden. Public Eye spricht Klartext.