Wir müssen reden. Public Eye spricht Klartext.

Ein Fonds für faire Mode – so will Public Eye die Textilbranche umkrempeln | Mit David Hachfeld

Public Eye Season 7 Episode 60

11 kg pro Person und Jahr – so viele Kleider werden in der Schweiz weggeworfen. Die Folgen: Altkleiderdeponien an Küsten, ausgebeutete Näher*innen, ein absurder Wasserverbrauch… Der Modefonds von Public Eye will das ändern: Wer auf faire, langlebige und kreislauffähige Kleidung setzt, wird belohnt – Fast Fashion wird teurer. Mit diesem Geld sollen Reparaturen gefördert, Secondhand unterstützt und bessere Sammel- und Recyclingstrukturen geschaffen werden. David Hachfeld, Textilexperte bei Public Eye, erklärt im Gespräch mit Nico Meier, warum der Modefonds mehr ist als Symbolpolitik – und wie er helfen kann, Mode neu zu denken.

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🔎 Hintergrund & Quellen

Jetzt Petition für einen Modefonds unterschreiben: «Für langlebige Kleider statt Wegwerfmode!» 

Public Eye Artikel: «Der Schweizer Modefonds», Mai 2025

Public Eye Fachbericht: «One-Earth Fashion: 33 Transformation Targets for a Just Fashion System within Planetary Boundaries», Dezember 2024

Weitere Podcast-Episoden zur Textilindustrie:

⚫Skandal bei Montblanc: «Made in Italy»-Luxustaschen für 3 Euro pro Stunde, 08.05.2025

⚫Fast Fashion: Was bei Shein (immer noch) schief läuft, 22.05.2024

Rana Plaza Die schlimmste Katastrophe der Modebranche, 19.04.2023

Wie verantwortungsvoll sind Zalando, Shein & Co.?, 05.06.2022

Was du über die Wegwerfmode von Shein wissen musst, 05.03.2022

Instagram Reel von The Secondhand Luzern, 08.05.2025

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📰 Impressum

Produktion: Public Eye

Moderation: Nico Meier (Audon Productions)

Kamera & Schnitt: Planfilms

Jingle & Sound Design: Julien Matthey

Studio: Owl Studio

S03: [00:00:00] Die Schweiz soll einen Modefonds bekommen. Heisst nicht, Geld zur Seite zu legen für den nächsten Shopping-Trip. Nein, dieser Modefonds hat höhere Ziele. Er soll die Missstände in der Fast Fashion beheben und nachhaltige Kleidung fördern.

S01: [00:00:16] Wir müssen reden. Public Eye spricht Klartext.

S03: [00:00:23] Mein Name ist Nico Meier. Herzlich willkommen. Eine Abgabe auf Wegwerf-Mode. Und mit dieser Abgabe die Modewelt dann dazu bewegen, die Kleidung, die wir heute so tragen, als etwas Wertvolleres zu betrachten als das heute vielleicht der Fall ist. Das sind die Ziele des Modefonds. Und über diesen und auch über die weiteren Pläne für mehr nachhaltige Mode möchte ich heute sprechen mit David Hachfeld, Textilexperte bei Public Eye. Herzlich willkommen.

S01: Hallo Nico, freut mich hier zu sein.

S03: Schön bist du hier. Dann vielleicht zwei grundlegende Fragen zuerst. Was ist denn dieser Modefonds und wie soll er konkret funktionieren?

S04: [00:00:57] Also der Modefonds ist in Kürze eine Lösung auf die Fast Fashion-Krise. Dass wir einfach ein Überangebot an Kleidung haben, das in den Markt reingepresst wird, ausbeuterisch produziert, umweltschädlich und dann ganz rasch konsumiert und wieder entsorgt. Und der Modefonds ist ein Teil der Lösung, dieses Problem endlich in den Griff zu bekommen.

S03: [00:01:18] Und wie soll er konkret funktionieren?

S04: [00:01:20] Konkret geht es darum, dass diejenigen, die Mode auf den Markt bringen, zukünftig einen Beitrag leisten, einen finanziellen Beitrag in diesen Fonds herein. Diejenigen einen niedrigeren Beitrag leisten, die nachhaltigere Mode in den Markt bringen. Das heisst Mode, die fairer produziert wird, Mode, die nachhaltiger ist. Secondhand-Mode soll gar keinen Beitrag zahlen. Und die Gelder, die dann im Fonds drin sind, die sollen eingesetzt werden, um die Modetransformation zu finanzieren. Also eine Förderung zu leisten, zum Beispiel für Reparaturen, zum Beispiel für Kleidertausch, aber auch für Verbesserungen innerhalb der Lieferkette.

S03: [00:01:57] Also kurz zusammengefasst, wenn ich jetzt als Kleiderhersteller etwas produziere mit nachhaltigen Fasern, das wirklich lange hält, dann zahle ich nichts oder weniger. Und wenn ich halt billig Plastikware auf den Markt werfe, dann zahle ich mehr.

S04: [00:02:10] Genau. Also wer im Grunde sein Business darauf aufgebaut hat, möglichst viel Wegwerf-Mode in den Markt reinzupressen, der wird entsprechend höher zahlen. Wer aber wirklich ein nachhaltig kuratiertes Angebot macht und zeigen kann, dann doch die Produkte, die wir in den Markt reinbringen, die sind nachhaltiger, der zahlt weniger. Und wer Secondhand-Mode oder Upcycling-Mode in den Markt bringt, also wirklich Ressourcen wieder nutzt, der soll gar nichts zahlen.

S03: [00:02:36] Und ihr sprecht da von einer dreifachen Wirkung, die das haben soll. Erläuter doch mal, was sind denn das für drei Ebenen?

S04: [00:02:42] Das erste ist eine Lenkungswirkung. Es gibt ja auch Lenkungsabgaben, die man in anderen Bereichen kennt, zum Beispiel die Tabaksteuer. Das ist eine Lenkungsabgabe, wo man sagt, okay, man will ein bestimmtes Marktsegment irgendwie einschränken, man will einen Reiz setzen, dass man möglichst irgendwie bewusst konsumiert, weniger konsumiert und so weiter. Und das ist eben dieser Beitrag. Also da wird tatsächlich ein finanzieller Beitrag erhoben. Damit soll eine Lenkung reingebracht werden in den Markt. Die zweite Wirkung ist eine Anreizwirkung. Und zwar ein Anreiz für Händler und Modeanbieter, ein nachhaltig kuratiertes Angebot zu machen. Weil je nachhaltiger das Angebot ist, umso geringer wird dieser Beitrag. Das heisst, wer dann künftig darauf achtet, zum Beispiel Produkte aus Bio-Baumwolle in den Markt zu bringen oder Produkte in den Markt zu bringen, die unter existenzsichernden Löhnen hergestellt wurden, der soll entsprechend belohnt werden. Also deutlich weniger zahlen. Wer Secondhand in den Markt bringt, gar nichts. Und dann ist noch die Finanzierungswirkung da, dass tatsächlich auch mal Geld da sein muss, um diese Modewende zu finanzieren. [00:03:43] Um zum Beispiel Reparaturen günstiger zu machen.

S03: [00:03:45] Gerade wenn du Reparaturen sagst und die Langlebigkeit. Und du hast vorher die Bio-Baumwolle angesprochen. Ich denke, die Materialien sind da auch ein mega entscheidender Punkt da drin, wenn es darum geht, nachhaltige Mode zu machen. Wo braucht es da das grösste Umdenken?

S04: [00:04:00] Also ich glaube, auch da braucht es ein Umdenken bezüglich der Menge. Also wir haben uns so angewöhnt, dass man Materialien irgendwo hernimmt, praktisch aus der Erde, wenn es fossiler Rohstoff ist, der in Polyester geht. Oder eben von der Erdkruste, wenn es um Baumwolle geht, Landwirtschaft. Das nehmen wir einfach, machen daraus schnell ein Produkt. Das wird kurz konsumiert und dann wird es weggeworfen. Das ist so eine lineare Vorstellung eines Materialflusses. Und das wollen wir durchbrechen, um zu sagen, erst mal, da soll mehr Dauer hin. Dann, dass also Materialien vor allem in den Markt kommen und so verarbeitet werden, zu Produkten, die wirklich lange halten. Und dann als nächstes Materialien, die möglichst auch zu einem gewissen Teil im Kreislauf fliessen. Also Materialien, die nach der Nutzung auch wieder recycelt werden können und zu neuen Kleiderstücken verarbeitet werden können.

S03: [00:04:49] Und eben die dritte Ebene, die du angesprochen hast, ist die finanzielle Ebene. Also die Finanzwirkung, du hast gesagt, eben die Reparaturen beispielsweise fördern. Wie könnte so etwas konkret aussehen oder was kann man mit all dem Geld ansonsten vielleicht noch machen?

S04: [00:05:01] Das kann man wirklich kreativ sein. Aber schauen wir mal an, zum Beispiel, was in Frankreich schon existiert. Da gibt es einen solchen Reparaturbonus schon seit wenigen Jahren. Aber der läuft gerade wirklich gut an. Und das ist ganz konkret so, ich kann da zu über 1000 Handwerkern gehen, also kleinen Reparaturbetrieben für Schuhe, Schuhmacher, Änderungsnähereien und zum Beispiel einen Reissverschluss ersetzen lassen oder einen Absatz erneuern lassen in einem Schuh. Und ich bekomme einen Teil der Kosten als Bonus zurück. Also ganz direkt bekomme ich da eine Reduktion und zahle da eben statt 20 Franken dann eben nur 10 Franken für die Reparatur. Und das ist etwas, das sich direkt lohnt, was einen direkten Anreiz bietet. Das ist ein Beispiel. Andere Beispiele, die ich sehe, ist zum Beispiel die Finanzierung einer ordentlichen Textilsammlung. Weil zurzeit, ich meine, wenn man schaut, wie sieht es mit den Telltex und Tex-Aid-Containern aus, teilweise quellen die über, da landet praktisch viel drin, was leider von der Qualität echt schlecht ist. Das heisst, die ächzen wirtschaftlich ganz schön, weil dieses Geschäft mit den gespendeten Kleidungsstücken [00:06:07] sich kaum mehr rentiert. Und dann gibt es das grosse Problem, was machen mit allen Kleidungsstücken, die vielleicht nicht mehr ganz tragbar sind. Also zum Beispiel Löcher haben Risse und so weiter. Wohin mit denen eigentlich? Davon landet heute ganz viel einfach im Kehricht und damit in der Verbrennung. Eigentlich sind das aber auch noch Ressourcen, die nutzbar wären, eben die Baumwollfasern zum Beispiel, die da drin stecken. Und eine bessere Sammlung zu finanzieren, eine bessere Sortierung zu finanzieren und dann auch eine Recycling-Technik aufzubauen, auch in der Schweiz. Das ist etwas, was der Fonds auch finanzieren könnte.

S03: [00:06:40] Also wie sähe denn so eine bessere Sammlung aus und wie sähe diese Rezyklierung denn besser aus?

S04: [00:06:44] Also ein Beispiel wäre aus meiner Sicht zum Beispiel eine zweifache Sammlung, dass man eben in seiner Kommune, wo man irgendwie Altkleider wegbringen möchte, zwei Sammlungen hat. Eine für die Sachen, die wirklich noch gut sind und auch eine textile Sammlung für Sachen, die wirklich auch kaputt sind, aber als Rohstoffe noch gebrauchtfertigt werden. Und sowas aufzubauen, das lohnt sich wirtschaftlich nicht wirklich, weil es nicht so einen grossen Markt bisher gibt für diese, ich sag mal, schlechtere Kategorie von Altkleidung. Das ist etwas, was finanziert werden müsste. Und dann hätte man aber eben auch eine Quelle von eigentlich noch guten Rohstoffen, die man dann wieder in den Kreislauf bringen kann. Und das sind eben so Beispiele, wo man sagt, ja, da muss man zumindest anfangs auch ein bisschen Geld in die Hand nehmen, damit sich so ein Zyklus auch etabliert. Und dann kann da wirklich eine Kreislaufbewegung in Gang kommen.

S03: [00:07:34] Da muss erst mal Geld da sein. Aber eben, das muss irgendwo herkommen, dieser Modefonds. Die Gefahr besteht jetzt einfach, dass diese ganzen Modekonzerne dann halt einfach die Kosten abwälzen auf die Kundinnen und Kunden. Und das mag für viele von uns ja nicht so dramatisch sein, aber ich denke gerade so armutsbetroffene oder armutsgefährdete Haushalte, da kann das einschenken. Also gibt es da nicht eine gewisse Ungerechtigkeit da drin?

S04: [00:07:58] Doch, die Ungerechtigkeit, die ist da. Die ist aber vor allem darin zu sehen, dass wir es überhaupt mit so grossen wirtschaftlichen Unterschieden zu tun haben. Also es ist schwierig, diese Ungerechtigkeit, die wir in der grossen Ungleichheit in Einkommen in der Schweiz, aber in Vermögen in der Schweiz haben, dass wir die jetzt ausgerechnet im Modesektor rausbringen. Dennoch müssen wir sie berücksichtigen. Wir müssten sagen, okay, wie kann man diese Abgabe so gestalten, dass es eben auch tragbar ist? Da ist die Finanzierungswirkung eine ganz wichtige. Also in dem Moment, wo durch diesen Modefonds eben zum Beispiel Reparaturen günstiger werden, auch Secondhand-Kleidung leichter verfügbar ist, dadurch schaffen wir auch einen Bereich, wo gewisse Teile dieser Mode billiger werden. Durch den Anreiz für nachhaltigere Mode, weil ich denke, dass das Recht, sich auch bewusst und nachhaltig zu kleiden, das ist auch kein Recht praktisch, was nur den Reichen vorbehalten werden müsste. Und dadurch, dass man das Angebot vergrössert in diesem nachhaltigen Bereich, werden wir wahrscheinlich dort auch günstigere Preise sehen, [00:09:00] weil wir einfach eine grössere Skala haben. Und ja, es bleibt der Punkt, wenn man wirklich ganz viel konsumiert und seinen Konsummuster gar nicht umstellt, also praktisch einfach weiter die gleiche Menge an Kleidung konsumiert, dann wird man wahrscheinlich ein bisschen mehr Geld in die Hand nehmen müssen. Ja, das liegt dann, glaube ich, an jedem und jeder von uns zu entscheiden, wo man da die Prioritäten setzt. Aber ich meine, was uns vorschwebt, das ist ein Betrag von ein bis zwei Franken vielleicht für Oberbekleidung oder 50 Rappen für Socken. Das ist jetzt noch nicht etwas, was jemand gleich an das Hungertuch bringt. Es ist ein relevanter Punkt, aber es ist jetzt nicht der Punkt, wo wir sagen, damit schaffen wir eine neue soziale Ungleichheit.

S03: [00:09:43] Dann stellt sich für mich aber noch eine andere Frage. Sagen wir jetzt, dieser Mode von wird Realität, wer überprüft denn, wer da was abgeben muss? Wie kann das aufgegleist und organisiert werden?

S04: [00:09:53] Also wie bei jeder anderen Lenkungsabgabe auch. Das wird für Importeure vom Zoll erhoben. Ansonsten praktisch müssen das Händler deklarieren, so wie man jede andere Abgabe auch abführen muss. Also da ist der Modefonds eigentlich gar kein Sonderfall, sondern eigentlich werden da einfach etablierte Standards benutzt.

S03: [00:10:10] Und was würde das dann für ausländische Händler bedeuten? Weil ich denke, die Mehrheit der Kleider wird jetzt nicht in der Schweiz produzieren.

S04: [00:10:17] Das ist richtig. Der grösste Kleiderhändler in der Schweiz ist Zalando, der praktisch seine Kleider in die Schweiz herein importiert. Dann haben wir noch Phänomene wie Shein und Temu, die auch mehr Kleidung in die Schweiz reinbringen. Und die sollen genauso umfasst werden. Die sind Plattformen und da wird die Plattform mit in die Pflicht genommen, für die Händler die Gebühren abzuführen. Also ganz normal werden die auch mit einbezogen. Also wirklich jeder, egal ob es ein kleiner Schweizer Händler oder ein grosser internationaler Händler ist, wird am Ende gleichermassen diese Gebühren zahlen müssen, kann aber auch gleichermassen die Reduktion in Anspruch nehmen. Also auch da sollte Shein auf die Idee kommen, ein ganz nachhaltiges Angebot zu machen, würden entsprechend auch die Gebühren von Shein sinken.

S03: [00:11:00] Mal sehen wie realistisch das ist, dass das passiert. Aber wir hoffen, was jetzt passiert ist. Ihr habt eine Petition lanciert, dass dieser Mode von Realität werden kann. Und der kommt doch sehr gut an. Gerade wenn man so in die sozialen Medien guckt, gibt es einiges an Unterstützung. Schauen wir uns doch ein Beispiel mal ganz kurz an.

S04: [00:11:17] Ja, gerne.

S02: [00:11:19] 11 Kilo Altkleider werden in der Schweiz durchschnittlich pro Person gesammelt. Und das ist eine unglaublich grosse Zahl. All das gibt pro Jahr fast 100'000 Tonnen Altkleider, die wir verursachen. Ein grosser Teil trägt natürlich Fast Fashion dazu bei. Und das erachtet auch wir vom Secondhand als Problem. Wir unterstützen darum die Petition, die jetzt die Public Eye lanciert hat. Und den Bundesrat auffordert, hier einmal ein bisschen neue Ideen zu sammeln und auch ein bisschen Massnahmen zu setzen. Wir sehen im Secondhand jeden Tag, wie viele Kleider die Leute haben und wie viele Kleider auch zu uns kommen. Die Tollesten wählen wir sehr gerne aus, damit sie bei uns ein zweites Leben finden und eine neue Besitzerin oder Besitzer. Aber es ist weit, weit mehr, als wir bewerkstelligen können. Und darum unterstützen wir Public Eye, folgt ihnen, unterschreibt die Petition. Bis bald.

S03: [00:12:16] Wirklich auch nochmal angesprochen, die Menge ist wirklich ein grosses Problem. Ist das ein vergleichbares Feedback mit anderen, die ihr erhaltet? Oder was sind so die Rückläufe, die ihr bisher bekommen habt?

S04: [00:12:25] Also es ist wirklich schön zu sehen, was da an Rücklauf kommt. Also es sind ganz viele Leute, die uns individuell schreiben und die wirklich dankbar sind, dass da endlich mal irgendwie eine konkrete Lösung ins Feld geführt wird, die auch plausibel ist. Also da kriegen Leute Hoffnung und sagen, ja, wir können gegen Fast Fashion auch wirklich was unternehmen. Weil es gibt viele Menschen, die zum Ausdruck bringen, das kann eigentlich so nicht weitergehen. Und wir als Public Eye bringen ja auch Reportagen, wo wir immer die Schattenseite beleuchten. Und das zeigt ja den Leuten auch auf, irgendwie, es darf eigentlich so nicht weitergehen. Und dass wir jetzt zusammen mit anderen irgendeine Lösung präsentieren, die wirklich deutlich macht, ja, eigentlich können wir das Problem angehen. Wir können da gestalten. Wir müssen es nicht einfach so hinnehmen. Das macht wirklich vielen Leuten Hoffnung. Und das sind teilweise so Menschen aus der Branche selbst, wie eben hier eine Second-Hand-Händlerin oder auch einzelne Modehändler, die sich da zu Wort melden und das unterstützen. Und eben teilweise einfach auch Bürgerinnen und Bürger, die sagen, ja, endlich kommt hier mal was voran.

S03: [00:13:28] Das könnte man natürlich aber auch argumentieren. Und es gibt in der Branche ja selbst auch Bemühungen. Es gibt den sogenannten Fabric Loop, also aus der Industrie die Bemühungen, halt wirklich die Mode nachhaltiger zu gestalten. Ganz naiv gefragt, warum reicht denn das nicht? Warum braucht es denn den Modefond?

S04: Also es ist nicht so, [00:13:45] dass nur wir als Zivilgesellschaft irgendwie das Gefühl haben, es geht so nicht weiter. Es gibt auch Teile der Branche, die sagen, wir wollen dieses System so nicht mehr weiter fördern. Und dass jetzt Swiss Textiles und so ein paar Unternehmen gesagt haben, wir wollen da auch eine Lösung haben, das ist erst mal gut. Das begrüßen wir. Also Fabric Loop das ist deren Initiative. Aber bisher ist das halt eine freiwillige Initiative, wo sich bisher nicht nur sehr wenige Firmen angeschlossen haben. Die ganzen grossen Händler, die die Schweiz dominieren, Konzerne wie H&M, Inditex, zu denen Sarah gehört, Bestseller, Zalando, die machen da alle nicht so mit. Und wir denken, nee, es braucht aber eine Lösung, die wirklich alle verpflichtet damit zu machen. Und wir denken darüber hinaus: die Standards, die da gesetzt werden, die Kriterien, die gesetzt werden, wer wird da bevorzugt, welche Gebühren werden erhoben, die müssen demokratisch beschlossen werden. Das müssen wir in unserer Demokratie aushandeln unter Beteiligung der Wirtschaft, unter Beteiligung der Zivilgesellschaften und Gewerkschaften. Und deswegen sagen wir, es braucht einen gesetzlichen Rahmen. [00:14:46] Das sind so die wesentlichen Unterschiede, wo wir sagen, na, wir gehen ein bisschen weiter. Aber generell muss man schon sagen, es gibt endlich so ein gewisses Aufwachen in der Branche. Jetzt muss nur noch die Politik zum Handeln kommen.

S03: [00:14:57] Eben, und hier ist sicher der Modefonds ein gutes und wichtiges Instrument. Aber ich stelle mir jetzt mal vor, das ist nicht das Allheilmittel für alles. Das wird nicht die Lösung sein für die ganzen Probleme in der Modeindustrie, oder?

S04: [00:15:08] Nein, der Modefonds ist eine ganz wichtige Lösung. Der kann wirklich was bewegen in der Schweiz. Aber es gibt natürlich andere Massnahmen, die auch die Modewende voranbringen können. Zum Beispiel technisch im Bereich Eco-Design, dass man einfach auch Vorgaben macht. Wie müssen Modestücke gestaltet sein? Oder eben auch die Konzernverantwortungsinitiative, um wirklich zu sagen, es muss aber einen gewissen Schutz an Menschenrechten geben, die nicht verhandelbar sind. Also das sind Sachen, die kann der Modefonds nicht mitlösen. Das ist auch nicht sein Anspruch. Das heisst, wir stellen uns ein Maßnahmenpaket am Ende vor.

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S03: Eben und dieses Massnahmenpaket, dafür braucht man eine Analyse. Was ist denn überhaupt alles Tatsache? Wo liegen die Probleme? Was sind Lösungsansätze? Und das habt ihr gemacht mit dem One Earth Fashion Report. Kannst du uns kurz zusammenfassen, was steht da drin, was macht dieser Report?

S04: [00:16:01] Also der One Earth Fashion Report ist ein Report, in dem wir selbst als Public Eye uns mal die Zeit genommen haben, unsere eigenen Überlegungen so ein bisschen zu sortieren, zu schauen, wie stellt sich die Modebranche eigentlich zurzeit gerade auf und wie müsste eigentlich eine umfassende Transformation aussehen, damit die Modeindustrie einerseits fair ist und andererseits innerhalb der planetaren Grenzen sich bewegt. Also nicht mehr eben das Klima verpestet, unsere Flüsse verschmutzt und so weiter. Und das haben wir uns viel Zeit dafür genommen und haben wirklich analysiert, was sind die Kernprobleme dieser Modeindustrie, Hotspots sozusagen, und haben daraus generiert, ja, was muss sich dann verändern? Wir haben dann Ziele festgesetzt und dann eben eine Transformationsvision in die Welt gesetzt mit diesem Bericht.

S03: Und wie ist das Ganze entstanden oder aus welchem Bedürfnis heraus habt ihr das denn gemacht?

S04: Also wir haben so ein bisschen beobachtet, was andere schreiben [00:17:01] und wie diese ganze Debatte läuft und haben festgestellt, dass man viel aneinander vorbeiredet. Weil es gibt so einen Scheinkonsens, wo man scheinbar so nah beieinander ist und alle sagen, ja, die Modeindustrie, die soll ein bisschen kreislauffähiger werden, sie soll ein bisschen langsamer werden, sie soll gerechter werden. Also da wird man eigentlich niemanden finden, der das nicht irgendwie sich in die Bücher schreibt. Aber was man damit genau meint, also wie viel langsamer soll sie denn werden? Wie viel an Ressourcen wollen wir eigentlich wirklich wieder einsparen in dieser Industrie? Was heisst Fairness für uns? Das ist halt der Bereich, wo es dann schnell unscharf wird. Und dann haben wir gedacht, lass uns doch mal ganz konkrete Ziele in den Raum stellen, wo wir sagen, hey, bis 2030, das ist das, wo wir denken, da müssen wir hin und lass uns damit in die Diskussion mit anderen nehmen, um dieser Diskussion endlich mal eine ganz konkrete Basis zu geben und auch zu schauen, [00:18:01] ja, wo sind wir uns vielleicht auch nicht einig? Und das wollten wir mit diesem Bericht erreichen.

S03: [00:18:05] Also klare Ziele, anstatt eine schöne Idee zu haben, macht etwas zielgerichteter, stelle ich mir vor. Ist das auch der grosse Pluspunkt oder warum es genau so einen Report braucht, damit man wirklich mal konkret was auf dem Tisch hat? Genau.

S04: [00:18:17] Es geht darum, die Diskussion wirklich konkret zu machen und sie auch zusammenzubinden und eben nicht einfach nur einen Einzelbericht zu machen, um zu schauen, ja, wie kann die Modeindustrie klimafreundlicher werden oder wie können die Arbeitszeiten verbessert werden, sondern das mal zusammenzuziehen und zu überlegen, wie kann man ökologische und soziale Punkte auch mit einer nachhaltigen Wirtschaft, mit der Idee einer nachhaltigen Wirtschaft, also einer stabilen, langfristig orientierten Wirtschaft zusammenzubringen und dafür wollten wir wirklich so ein umfassendes Bild kreieren.

S03: [00:18:50] Und aus diesem umfassenden Bild heraus, was sagst du, was sind jetzt die ganz grossen Brennpunkte? Ich nehme an, einer wird dieser Modefonds wahrscheinlich bespielen.

S04: [00:18:57] Ja, der Modefonds ist einer, dass wir wirklich sagen, da müssen wir einfach eine Transformation hinbekommen, der ist des Angebots und der Konsummuster. Ich sage mal, grob haben wir in diesem Bericht vier Ebenen, auf denen wir sagen, da muss ein Paradigmenwechsel stattfinden. Das eine ist die Materialebene, also praktisch der materielle Durchfluss, die Energie, die in diesem System drin steckt. Und da müssen wir klar sagen: es muss weniger werden. Wir müssen weniger Material länger nutzen. Und wenn wir das machen, wenn wir weniger Material doppelt so lange einsetzen, dann können wir mit deutlich weniger Material sogar einen höheren Gebrauchswert erwirtschaften. Das ist die eine Dimension. Die zweite Dimension ist Arbeit. Das heisst, wie setzen wir diese Materialien in Produkte um, aber auch im Service, zum Beispiel im Verkauf. Ist die Arbeit da einfach nur so schnell wie möglich Güter verkaufen oder ist es eine gute Beratung, Menschen zu helfen, zu Produkten zu kommen, auch sie gut zu benutzen, sodass sie lange nutzbar sind? [00:19:59] Die dritte Ebene ist die Wertschöpfung. Da gehen wir an den Kern des Modekapitalismus ran und sagen praktisch, wie muss eigentlich die Wertschöpfung, die ja stattfindet in diesem Bereich, wie muss die aussehen und vor allem, wie müssen die Früchte dieser Wertschöpfung gerechter verteilt werden zwischen Kapital, Arbeit und auch dem Staat. Und die dritte Ebene ist die Ebene von Macht.

S03: Die vierte Ebene?

S04: Die vierte Ebene.

S03: [00:20:23] Also wie Macht? Wo siehst du da diese Ebene der Macht?

S04: Also die vierte Ebene der Macht, [00:20:29] wir tun ja ein bisschen so, als sei das komplett normal, dass Menschen einfach, weil ihnen Modekonzerne gehören, grosse Handelskonzerne gehören, einfach komplett entscheiden können, wie was produziert wird, unter welchen Verhältnissen und so weiter. Wir sagen, ja warum eigentlich? Wir müssen bei einem Sektor, der so relevant ist, der ja für uns als gesellschaftliche Funktion eine grosse Rolle spielt, da müssen wir auch demokratisch mitreden können. Und da können wir nicht sagen, nur weil jemandem irgendwie dieses Unternehmen gehört, kann er einfach alles machen, wie er möchte. Und das heisst, wir stellen uns auch vor, ja, für eine solche Modewende müssen wir auch da rangehen und darüber reden, wer wie welche Entscheidung trifft.

S03: [00:21:10] Aber auch hier kann man ja eigentlich mal kritisch fragen, jetzt ist so ein One-Earth-Fashion-Report schön, wohin es gehen solle, aber wenn man die Realität anguckt, wo die Modebranche denn heute genau ist, das geht doch komplett in die andere Richtung mit Fast Fashion, wie eben du hast Temu erwähnt oder Shein und all die ganzen Sachen, das geht doch komplett in die andere Richtung.

S04: [00:21:30] Das ist richtig, der Markt wird weiterhin aufgerollt von denen, die absolut rücksichtslos da rangehen. Und dennoch reden auch diese Player permanent von nachhaltiger, sie sind fairer. Gerade letzte Woche hat Shein vorgestellt, ah, sie haben neue Klima-Targets und die wurden dafür gelobt und alles. Und das ist natürlich Quatsch, solange man ein Geschäftsmodell betreibt, was immer mehr Mode in diesen Markt reinpresst, das ist einfach nicht nachhaltig. Ich glaube, mit unserem Bericht haben wir mal deutlich gemacht, was heisst eigentlich eine nachhaltige Modetransformation, eine nachhaltigere Modewende. Und dadurch wird es einfacher, solchen Greenwashing-Bullshit, sage ich jetzt mal ganz vulgär, einfach auch zu entzaubern und deutlich zu sagen, ja, was gewisse Firmen irgendwie versprechen, irgendwie in schönen Sonntagsreden und irgendwie behaupten, sie seien auf dem Weg in Richtung Nachhaltigkeit, das ist einfach überhaupt nicht das, was wir als Transformation verstehen. Und mit so einem Bericht können wir einen viel stärkeren Punkt machen und sagen, ja, wir benennen ganz konkrete Ziele, da muss es hin [00:22:30] und ihr seid ganz so anders und das wird durch so einen Bericht viel offensichtlicher.

S03: [00:22:35] Und wenn es um demokratische Prozesse geht, wie sie hier wünschenswert sind, ist eines der Mittel nützt ihr jetzt mit einer Petition, also einem Aufruf dazu, dass so ein Modefonds jetzt in diesem Fall Realität werden wird. Was sind jetzt hier die Abläufe? Wie geht es hier weiter?

S04: [00:22:48] Ja, da sind wir wieder beim Modefonds. Ja, da muss man sagen, wir haben wieder so ein Klassiker der Schweizer Politik. Die Schweizer Politik wartet eigentlich immer gerne ab und sie beobachtet, was passiert in der EU, was passiert woanders. Und eigentlich sagt sie immer, ja, wir warten noch ein bisschen ab und werden dann vielleicht irgendwann mal was nachvollziehen. Aber jetzt sind wir in einer Phase, wo überall um uns herum, in jedem EU-Mitgliedsland, ähnliche Modelle wie dem Modefonds eingeführt werden. Ein bisschen kleiner meistens, aber es gibt eine Pflicht, eine Gebühr einzuführen, so eine Art vorgezogene Recycling-Gebühr auf Textilien. Wie die ausgestaltet wird. Das werden jetzt alle unsere Nachbarstaaten mehr und mehr entscheiden. Das heisst, da geht es jetzt ganz konkret voran. Der Bundesrat hat vor kurzem auch einen Bericht veröffentlicht, wo er auch da legt, ja, was wäre denn theoretisch möglich? Aber er traut sich immer noch nicht aus der Deckung. Er geht da nicht ran, um das Problem wirklich selbst zu lösen. Und ich glaube, da müssen wir ihn noch dazu hinbringen. Ich glaube, je mehr Menschen unsere Petition mittragen und auch je mehr Organisationen diese Forderung mittragen, [00:23:50] umso leichter wird es dann, ja, diesem Bundesrat endlich aus seinem Tiefschlaf zu wecken. Wir werden diese Petition im Herbst übergeben. Ja, und dann geht es weiter. Dann werden wir mal sehen, wer aus dem Bundesrat oder vielleicht auch aus den Parlamentskammern heraus dieses Thema endlich annimmt, weil die Zeit ist reif.

S03: Schöne Schlussworte. [00:24:09] David Hafeld, ich danke dir recht herzlich fürs Hiersein und und seinen Einblick gewähren in die Arbeit für den Modefonds und auch den One Earth Fashion Report. Danke vielmals.

S04: Danke, Nico.

S03: Und wenn du diese Petition unterschreiben möchtest, dann findest du einen Link dazu in der Beschreibung dieser Episode. Und dann würde ich dich gerne auch noch bitten, diese Episode zu teilen, damit möglichst viele Menschen diese Petition auch sehen und auch unterschreiben können. Und das war's für uns für diesen Sommer. Wir machen eine kurze Pause und dann sehen wir uns im Herbst wieder. In diesem Sinne, danke herzlichst.

S01: [00:24:40] Wir müssen reden. Public Eye spricht Klartext.

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